Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Ortsgruppe Freiberg

Fahrradklima in Sachsen: 73% fühlen sich gefährdet

Der Fahrradklima-Test des ADFC zeigt: In Sachsen fühlen sich mehr Menschen beim Radfahren gefährdet als im bundesweiten Durchschnitt. Dies hat auch mit dem schleppenden Radweg-Ausbau in Sachsen zu tun.

ADFC: Freistaat muss wieder mehr Geschwindigkeitskontrollen durchführen und Radweg-Lücken schneller schließen

Am 17. Juni stellte der ADFC die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests vor. In Sachsen fühlen sich demnach mehr Menschen beim Radfahren gefährdet als im bundesweiten Durchschnitt. Deutschlandweit geben 68% an, auf dem Rad immer wieder in brenzlige Situationen zu geraten und gefährdet zu werden. Dass sie von Autofahrern meistens zu eng überholt werden, berichten sogar 79% der sächsischen Befragten. Dabei gilt seit der StVO-Novelle 2020 ein verbindlicher Überholabstand von Autos zu Fahrrädern von 1,50 m, außerorts müssen beim Überholen mindestens 2 Meter Platz gelassen werden.

Das Gefühl der Unsicherheit entsteht oft durch unstetige Infrastruktur und durch Lücken in der Verkehrsüberwachung. Beides ist ein Problem in Sachsen. Viele Radwege enden im Nichts und Radfahrende müssen sich gefährlich in den fließenden Verkehr einordnen. Am oft rücksichtslosen Verlehrsklima in Sachsen ist auch erkennbar, dass die Polizei die Geschwindigkeitskontrollen im Vergleich zum Beginn der 2000er Jahre extrem zurückgefahren hat.  Während die sächsische Polizei im Jahr 2000 noch über 34.000 Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt hat, wurde diese Zahl über die Jahre kontinuierlich auf nur noch 9.395 im letzten Jahr gedrosselt. 

Der ADFC legte beim Fahrradklima-Test diesmal mit einer Sonderbefragung ein besonderes Augenmerk auf das Miteinander im Straßenverkehr. Demnach ist in vielen sächsischen Städten noch Luft nach oben beim Verkehrsklima: 72% der Befragten in Sachsen empfinden das Verkehrsklima als aggressiv, 79% werden von Autos regelmäßig eng überholt und zwei Drittel geben an, dass in ihrer Kommune für ein rücksichtsvolles Miteinander im Verkehr nicht geworben wird.

Die beste sächsische Stadt beim Fahrradklima-Test ist Stollberg im Erzgebirge. Dort hat die Stadtverwaltung den Schleichverkehr erfolgreich aus dem Nebenstraßennetz herausholen können und konsequent Tempo 30 angeordnet. Das steigert das Sicherheitsgefühl und die Attraktivität für den Radverkehr. 59% der Befragten in Stollberg geben an, dass sie sich auf dem Rad sicher fühlen. Auf das bundesweite Siegertreppchen schaffte es jedoch keine Stadt aus Sachsen. Zweitplatziert ist Auerbach im Vogtland, das in den letzten Jahren mehrere Millionen Fördermittel in Radinfrastruktur investiert hat. Für den ADFC sind die Siegerstädte in Sachsen auch der Beweis dafür, dass Radfahren in Sachsen längst kein Flachland-Thema mehr ist.

Gleichzeitig gibt es eine Gruppe von Städten, die in den letzten Jahren nicht besonders weit vorangekommen sind. Städte wie Limbach-Oberfrohna, Zwickau und Plauen stehen weiterhin mit einer schlechten Gesamtbewertung am unteren Ende des Fahrradklima-Tests. Dennoch gibt es Hoffnung: In Zwickau und Limbach hat der Stadtrat neue Radverkehrskonzepte beschlossen, die der Stadtverwaltung nun ermöglichen, Fördermittel für den Radwegebau zu beantragen und fahrradfreundlicher zu werden.

Empfehlungen des ADFC

Mit vielen kleinen Verbesserungen können Kommunen schnell und preiswert das Fahrradklima verbessern. So verkürzt die Öffnung von Einbahnstraßen in beide Fahrtrichtungen Wege für den Radverkehr, ohne dass dafür große Investitionen erforderlich sind. Ganz im Gegenteil: Die StVO verpflichtet Kommunen ohnehin dazu, die meisten Einbahnstraßen zu öffnen. In vielen Orten sind die Abstellanlagen an Bahnhöfen unzureichend. Hier können Kommunen leicht Verbesserungen durch diebstahlsichere Abstellanlagen schaffen und so den umweltfreundlichen Pendlerverkehr mit Bahn und Rad stärken. Auch hier sind die Kosten für Kommunen, dank großzügiger Förderung und Planungsunterstützung durch die Bahn, überschaubar. Komfortable Mobilität mit dem Rad wird oft gestört durch kleine Unebenheiten, Bordsteinkanten und Hindernissen wie z.B. Verkehrszeichen mitten auf dem Radweg. Solche kleinen Hürden zu entfernen bringt viel und kostet nicht die Welt.

Mit der im letzten Herbst novellierten StVO stehen den Kommunen zahlreiche einfache Mittel zur Verfügung, die Bedingungen für den Radverkehr über verkehrsrechtliche Anordnungen zu verbessern. Zum einen besteht ein deutlich erweitertes Instrumentarium zur Anordnung von Tempo 30, etwa auf hochfrequentierten Schulwegen oder im Umfeld von Spielplätzen. Die neue StVO bietet außerdem deutlich erleichterte Anordnungsvoraussetzungen für Radwege und Fahrradstraßen, die bisher übliche, langwierige Prüfungen deutlich verkürzten. Erste Städte wie Leipzig arbeiten bereits systematisch an der Umsetzung der Novelle. Ein Vorbild für alle Kommunen in Sachsen.

Der ADFC empfiehlt Kommunen darüber hinaus, Interessierte Bürger:innen und den ADFC in die Verkehrsentwicklung vor Ort einzubinden. Gremien wie eine örtliche “AG Rad” können dabei helfen, den Prozess von der Erstellung eines Radverkehrskonzepts bis zur Umsetzung baulicher Einzelmaßnahmen zu begleiten und weiterzuentwickeln. Je besser die Sicht der Nutzenden in die Radvekehrsplanung immer wieder einfließt, desto zufriedener sind am Ende auch die Radfahrerinnen und Radfahrer mit der angebotenen Infrastruktur.

Hintergrund

Der ADFC führt den Fahrradklima-Test alle zwei Jahre durch. Die Befragung findet inzwischen zum elften Mal statt. 213.000 Bürgerinnen und Bürger haben bundesweit die Zufriedenheit mit den Radwegen und das Sicherheitsgefühl auf der Straße bewertet, 1.047 Städte sind in die Auswertung gekommen. Die Untersuchung umfasst 27 Fragen. Zwischen September und November 2024 konnten Radfahrende deutschlandweit ihre Meinung zum Verkehrsklima, der Radinfrastruktur und den Radfahrbedingungen in ihrer Stadt äußern. Aus Sachsen sind 10.000 Fragebögen eingegangen und 39 Städte in die Auswertung gekommen.

Beim Fahrradklima-Test lag in diesem Jahr ein besonderer Fokus auf dem Miteinander im Straßenverkehr. Neben rücksichtsvollem Verhalten ging es auch darum, ob Autos beim Überholen ausreichend Abstand halten sowie um Konflikte zwischen Radfahrenden. Bei den fünf zusätzlichen Fragen zum Miteinander im Straßenverkehr schneiden die sächsischen Städte im Durchschnitt etwas schlechter ab als der Bundesdurchschnitt.

Zahlen, Daten, Fakten
Teilnehmer in Sachsen: 10.000
Teilnehmer bundesweit: 213.000
Anteil ADFC-Mitglieder: 21%
Frauenanteil an Befragten: 42%
Anteil City-/Trekkingrad-Nutzer an Befragten: 60%
Anteil E-Bike-Nutzer an Befragten: 38%

Sächsische Städte im Fahrradklima-Test (Platzierung bundesweit)

1.    Stollberg (52)    Datenblatt
2.    Auerbach/Vogtland (77)    Datenblatt
3.    Schkeuditz (143)    Datenblatt
4.    Bannewitz (189)    Datenblatt
5.    Hoyerswerda (220)    Datenblatt
6.    Torgau (223)    Datenblatt
7.    Leipzig (273)    Datenblatt
8.    Großröhrsdorf (305)    Datenblatt
9.    Taucha (381)    Datenblatt
10.    Coswig (465)    Datenblatt
11.    Grimma (515)    Datenblatt
12.    Dresden (526)    Datenblatt
13.    Delitzsch (529)    Datenblatt
14.    Heidenau (536)    Datenblatt
15.    Zittau (582)    Datenblatt
16.    Marienberg (590)    Datenblatt
17.    Markkleeberg (616)    Datenblatt
18.    Markranstädt (632)    Datenblatt
19.    Görlitz (637)    Datenblatt
20.    Pirna (654)    Datenblatt
21.    Eileburg (713)    Datenblatt
22.    Hohenstein-Ernstthal (731)    Datenblatt
23.    Bautzen (736)    Datenblatt
24.    Radeberg (744)    Datenblatt
25.    Chemnitz (746)    Datenblatt
26.    Moritzburg (747)    Datenblatt
27.    Reichenbach/Vogtland (759)    Datenblatt
28.    Riesa (762)    Datenblatt
29.    Radebeul (775)    Datenblatt
30.    Meißen (776)    Datenblatt
31.    Bischofswerda (819)    Datenblatt
32.    Freital (821)    Datenblatt
33.    Sebnitz (834)    Datenblatt
34.    Glauchau (929)    Datenblatt
35.    Annaberg-Buchholz (958)    Datenblatt
36.    Freiberg (970)    Datenblatt
37.    Plauen/Vogtland (976)    Datenblatt
38.    Zwickau (1016)    Datenblatt
39.    Limbach-Oberfrohna (1038)    Datenblatt


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